1 : Groove
Wenn
ich eine Prioritätenliste erstelle, die besagt, was mir in der Musik
am wichtigsten ist, dann steht da auf Platz Eins: Groove!
Ich
möchte genauer beschreiben, was Groove für mich bedeutet:
Groove
ist ein Wort, das Rhythmusenergie beschreibt.
Wenn
ich alleine spiele und grooven möchte, muß ich mir diese
Rhythmusenergie zum Partner machen. Es ist so, als ob da jemand ist,
mit dem ich spiele und dieser Jemand heißt Groove. Er ist mein
Partner, dem ich zuhöre und freundlich gesonnen bin und von dem ich
Gutes erwarte.
Meine
Erfahrung zeigt, daß ich Gutes erwarten kann, denn Groove hat die
Kraft, mich in meinem Spiel zu tragen und das fühlt sich wirklich
gut an. Es ist wie ein schönes Essen für die Seele.
Wenn
ich mich an das Klavier setze, hebe ich mein Alleine sein auf, denn
zu grooven bedeutet ja zuhören und öffnen in Richtung dieser
göttlichen Rhythmusenergie.
Das
ist die Keimzelle, deren Wachsen darin besteht sich mit anderen
Menschen zu verbinden, seien es Mitspieler oder Zuhörer. Das Zuhören
ist von zentraler Bedeutung. Einerseits sind Mitspieler Zuhörer und
andererseits beeinflusst das Publikum durch sein Zuhören die
Musiker, sodaß es dann auch in gewisser Weise mitspielt. Wenn also
mehrere Menschen zusammenkommen und sich auf groovende Musik
einlassen, bedeutet das eine Steigerung der magischen Energie, die
sehr beglückend ist.
Innerhalb
einer Band ist eine Voraussetzung für dieses Glück Freundlichkeit.
Die Freundlichkeit, die ich meine, wünscht sich von den
teilnehmenden Musikern Selbstbestimmung, denn nur der selbstbestimmte
Mensch fühlt sich frei und zeigt seine Persönlichkeit. Guter Groove
braucht das selbstbewußte Erscheinen der einzelnen Persönlichkeiten,
sodaß sie sich aneinander reiben und Widerstand geben können.
So
erzeugen sie Spannung, tragen sich gegenseitig, geben sich Halt,
Sicherheit und Geborgenheit, aber auch Inspiration und Kicks.
Es
ist wie Wellenreiten. Die Wellen tragen mich und sind vielfältig und
überraschend.
2 : Entscheidungen
Mir
ist eine Grundhaltung wichtig, bei der bewußt selbst entschieden
wird, wie die Musik ausgeführt wird. Dadurch hat die Musik etwas mit
einem Selbst zu tun und sie wird authentisch.
Außerdem
ist Wissen von Bedeutung. Je mehr Wissen ich habe, umso größer ist
die Auswahl an Möglichkeiten zwischen denen ich mich entscheiden
kann, um die eine passende Möglichkeit zu finden.
3 : Unvorhersehbarkeit
Wenn
ich improvisiere, entscheide ich mich dafür mein Spiel nicht völlig
festzulegen. Vielmehr spiele ich etwas, was ich vorher noch nie so
gespielt habe.
Dabei
vertraue ich darauf, daß die musikalische Energie mich trägt und
finde den Mut etwas auszuprobieren, was auf meinem Weg erscheint.
Ich
bin frei und meine Seele wächst. Ich entscheide mich aktiv, mich
passiv hinzugeben.
Ich
vergleiche meine Art Musik zu machen mit Vögeln, die sich vom Wind
tragen und sich von ihm überraschen lassen.
3 : Strahlkraft
Musik
ist etwas göttliches, mit dem ich mich verbinden kann und dadurch
über mich selbst hinauswachsen kann. Dieses „über sich selbst
hinauswachsen“ erzeugt ein Gefühl von Geborgenheit und Frieden.
Dabei
existiert kein Vergleich mit Anderen. Keine Konkurrenz. Mein Ego
verschwindet und ich werde zum Übermittler von Freude.
Ich
öffne mich für die Zuwendung der Menschen in meiner Umgebung und
bin dabei gleichzeitig nicht auf der Jagd danach. Diese Jagd würde
mich davon abhalten unabhängig zu sein. Aber nur die unabhängige
Strahlkraft ist interessant.
Ich
befinde mich auf dem Weg zu diesem Ziel und kann dabei den Ängsten,
die mich behindern nach und nach immer größere Entschlossenheit
entgegensetzen;
ich
entschließe mich, den Weg zu genießen.
Ich
entschließe mich, mich selbst als gut genug zu empfinden.
Ich
entschließe mich, nicht immer noch mehr machen zu müssen.
Keine
endlosen Setlisten, keine endlos langen Songs.
Ich
erlaube mir, mich zu wiederholen.
Keith
Jarret sagt: „Musik ist der Wunsch nach einer Ekstatischen
Beziehung zum Leben.“ Ekstase ist Leben, Freude, Auflösung des
Egos und Hingabe an Gott.
4: Genügsamkeit
Angenommen
ich würde neben dem berühmtesten Musiker der Welt auf der Bühne
stehen, wäre Genügsamkeit meine Rettung, denn ich wäre in der Lage
mich zu akzeptiern und zu mögen.
Genügsamkeit
ermöglicht Zufriedenheit und Wohlbefinden.
Genügsam
mit sich zu sein, bedeutet sich wertzuschätzen.
Genügsamkeit
gegenüber den Tönen des Klaviers hat Thelonius Monk so formuliert :
„ There are just 12 tones. You must treat them carefully.“
5 : Zärtlichkeit
Zärtlichkeit
fragt nach dem Gegenüber: Wie findest du das? Gefällt es dir?
Das
Gegenüber kann aber auch ich selbst sein, in dem Moment, in dem ich
mir selbst zuhöre. Zärtlichkeit ist der Weg, mich von
zerstörerischem Druck zu befreien und Schönheit hervorzuzaubern.
Ein
Zitat von Barry White: „Music is the woman I'm trying to please“.
7 : Pausen
Pausen
spielen in der Musik eine wichtige Rolle. Sie geben die Gelegenheit,
das gerade eben gehörte etwas einwirken zu lassen, ihm etwas
nachzuspüren und eventuell gefallen daran zu finden. Pausen schonen
meine Auffassungsgabe.
Ich
finde es angenehm, wenn der Happen, den ich zu verdauen habe nicht zu
groß ist. Und wenn die Pause länger wird, hat Sie noch eine weitere
angenehme Wirkung, denn Sie erzeugt den Wunsch nach mehr.
8 : Dissonanzen
Dissonanzen
können für sich allein genommen als unangenehm empfunden werden.
Doch würde uns Musik ohne Dissonanzen recht fade erscheinen. Denn
wir finden sie schön, diese scharfen, schrillen Klänge. Sie sind
wie das Salz in der Suppe.
Außerdem
ist die Wirkung der Dissonanz sehr stark von der Position im Kontext
abhängig. Ob sie nur auf dem Weg erscheint, oder das Ziel der
Bewegung ist, bestimmt die Wirkung.
9 : Lernen
Ich
empfinde großes Glück über mein Wissen darum, wie ich etwas lernen
kann. Durch meine Arbeit als Klavierlehrer ist Lernen für mich ein
zentrales Thema. Ich danke meinen Schülern für die Anregungen, die
ich durch sie erhalte. Wenn ich nicht gut vorwärts komme, erinnere
ich mich daran, was ich meinen Schülern rate. Ich sehe die Arbeit,
die verrichtet werden muß und an der kein Weg vorbei führt. Das
klingt anstrengend, aber es ist mir wirklich eine Freude diese Arbeit
geduldig und ausdauernd auszuführen, denn ich kann die Wirkung
unmittelbar spüren.
Ich
erlebe, daß viele musikalische Probleme mir auch im Alltag begegnen.
Ich
beziehe also Musik und Alltag aufeinander.
Das
liegt sicher daran, daß ich Musiker bin. Ein Bäcker würde sicher
die Anforderungen seiner Backkunst im Alltag wiederfinden.
10 : Visionen